Kreisparteitag der NSDAP 1939 in der Erftaue der Kreisstadt Euskirchen |
Seit Ende der 70er Jahre begann in der Voreifel die zaghafte Aufarbeitung der „jüngsten Vergangenheit“. Aus eigener Erfahrung kann ich konstatieren, dass die Dia-Vorträge in den Altkreisen Euskirchen und Schleiden sehr gut besucht waren und ein starkes Interesse der Bevölkerung an der Zeit des Nationalsozialismus und des Holocaust hinterließen. Die Lokalausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers vom 15. November 1979 berichtete darüber und erwähnte zum Beispiel auch den überfüllten Vortragssaal der Volkshochschule Euskirchen.
Unter der Überschrift „Nationalsozialismus im Euskirchener Stadt- und Kreisgebiet“ hält die Homepage einige Auszüge aus Zeitungsserien fest. Derselbe Autor hat sich in seinen Büchern mit derselben Thematik befasst und sie schwerpunktmäßig ausgearbeitet.
Die Themen der 8 Teile:
Teil 1: 30. Januar 1933: „Machtergreifung“ in Euskirchen
Teil 2: Die Zeit der „nationalen Hochstimmung“ (1933)
Teil 3: Straßen nach den Namen der „Blutzeugen“
Teil 4: „Mütterschulung“ war Pflicht
Teil 5: Willkür gegen die Gegner des Regimes
Teil 6: Kirchlicher Widerstand im Kreis Euskirchen
Teil 7: Als in Euskirchen die Synagoge brannte
Teil 8: Die NS-Presse der Kreisstadt Euskirchen bei Kriegsbeginn
Teil 6: Kirchlicher Widerstand im Kreis Euskirchen
Geistliche aktiv im Widerstand – Flugblätter gegen die „Mythus des 20. Jahrhunderts“ – Pfarrer als angeblicher „Judenfreund“ – Dechant Emonds versteckt eine Jüdin im Pfarrhaus
(Aus: Kölnische Rundschau, Lokalteil Euskirchen, vom 10.08.1988, von Hans-Dieter Arntz: Die „Machtergreifung“ in Euskirchen)
Es gab – wie in anderen Teilen des Deutschen Reiches – im Kreis Euskirchen nur wenig Widerstand gegen die Diktatur der Nationalsozialisten. Erst später wurde von „solchen Aktivitäten“ gemunkelt, die dann eindeutig nach dem Kriege bewiesen wurden: Es gab Widerstand!
1934 war zum Beispiel Pastor Jacob Stüsser aus Euskirchen (gestorben 1960) verhaftet und gerichtlich bestraft worden. Am 20. August 1921 feierte er als Sohn der Stadt in der Herz-Jesu-Kirche seine Primiz , musste aber 13 Jahre später „wegen nervöser Beschwerden in seinem geistlichen Beruf“ vorläufig zurücktreten. Mündlich und schriftlich versuchte er, seine Bekannten über die Machenschaften der Nazis aufzuklären.
Der Theologiestudent Heinrich Althausen aus Lommersum wurde 1935 verurteilt, weil er 200 Flugblätter, die sich gegen den „Mythus des 20. Jahrhunderts" von Rosenberg richteten, verschickt hatte (Vgl. WB vom 15. April 1935).
Der Metternicher Pfarrer Görres wurde als „Juden-Freund" angeprangert, weil er ostentativ den Kontakt zu den unterdrückten Juden suchte. Der Zülpicher Pfarrer von Lutzenberger erhielt ein Strafverfahren, weil er in seiner Predigt scharf gegen die Judenfeindlichkeit und die antichristliche Propaganda der Nationalsozialisten gewettert hatte. Er verglich den deutschen Kirchenkampf mit dem russischen und sprach von „blinden Führern“, die das Volks dem Untergang nahe brächten. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn daraufhin wegen Kanzelmissbrauch an.
Auch die offiziellen Austritte aus der NSDAP, die im Euskirchener Stadtarchiv registriert sind und offenbar bis 1936 verstärkt vorkamen, könnten als Akt des bürgerlichen Widerstandes interpretiert werden.
Der prominenteste Widerstandskämpfer im Kreis Euskirchen war zweifellos der in Kirchheim wirkende Pastor und Dechant von Münstereifel-Land, Joseph Emonds.
Politisch stark in Köln-Ehrenfeld und dann in Essen-Steele engagiert, versetzte man ihn 1938 ins unauffällige Eifeldörfchen Kirchheim- heute ein Stadtteil von Euskirchen -, wo er jedoch, unauffällig für die Gestapo, noch besser wirken konnte.
Dass er Kontakte zum Widerstand hatte, ist bewiesen. Die interessantesten Fakten jedoch konnte neulich der Düsseldorfer Günter Goebbels nachweisen, der eine wichtige Spur nach Pesch bei Bad Münstereifel verfolgte.
Hier lebten seit einigen Jahren der Schriftsteller Jakob Kneip und der Künstler Otto Pankok. Beide Männer unterstützten ab Herbst 1944 ein flüchtendes Ehepaar, nämlich die jüdische Schauspielerin Brunhilde Barz, geb. Stein, und ihren nicht-jüdischen Ehemann, den mit Berufsverbot belegten Künstler Mathias Barz.
Als Hilde Barz am 17. September 1944 ins Konzentrationslager verschickt werden sollte, flüchtete sie mit ihrem Mann aus Düsseldorf nach Pesch (bei Münstereifel), wo man bei dem dort zurückgezogen lebenden Künstler Pankok Unterschlupf fand. Ein Hörspiel aus dem Jahre 1977 sowie der Fernsehbericht „Der 20. Juli" (ausgestrahlt 1961) und 1964 unter dem neuen Titel „Von der Gestapo gejagt" wiederholt, berichtete über die Flucht der beiden und ihre Helfer.
In einem Hinterstübchen lebte das Ehepaar Barz versteckt. Deutsche Soldaten waren hier zudem seit Beginn der Ardennenoffensive (Dezember 1944) einquartiert. Als die Situation zu gefährlich wurde, konnte man zu Dechant Emonds nach Kirchheim übersiedeln. Unter dem Dachgeschoss fanden die Flüchtlinge vorläufige Unterkunft und in dem katholischen Geistlichen einen Helfer, dessen Haltung vorbildhaft war.
Euskirchen „unter dem Hakenkreuz" glich sicher vielen Städten und Gemeinden im Dritten Reich. Aber die Darstellung und die diesbezügliche Chronologie einer schrecklichen Zeit könnte Jugendliche vor den möglichen Auswirkungen eines Neonazismus warnen und aufzeigen, wohin es führt, wenn eine Minderheit, die an der Macht ist, einer schweigenden Mehrheit eine Diktatur aufzwingt.
Folgende Beiträge auf dieser Homepage geben weitere Auskunft zu diesem Beitrag:
1.) Dechant Joseph Emonds, Widerstandskämpfer und Fluchthelfer der Juden
2.) Der Expressionist Otto Pankok rettet seinen Malerfreund Mathias Barz und dessen jüdische Ehefrau — Ein Beitrag zur Judenverfolgung im Rheinland und der Eifel
Fortsetzung:
Teil 7: Als in Euskirchen die Synagoge brannte